OLG Oldenburg Beschluss vom 11.9.2024 – 8 U 36/24
I. Der Fohlenembryo verliert mit der Einnistung (Nidation) in die Gebärmutterschleimhaut die Sonderrechtsfähigkeit.
II. Für die Frage der Wesentlichkeit im Sinne des § 93 BGB kommt es nicht darauf an, ob der Bestandteil für die Funktion oder den Wert der Sache von Bedeutung ist.
III. Für § 947 II BGB stellt der Wert der Hauptsache im Verhältnis zur Nebensache kein entscheidendes Kriterium dar.
Die Parteien streiten über die Herausgabe eines Fohlens. Ein Dritter stellte dem Kläger eine Leihstute bereit, in die er ein in seinem Eigentum stehendes Fohlenembryo einsetzen ließ. Nachdem ein Tierarzt bestätigte, dass die Stute nicht schwanger sei, gab der Kläger diese dem Dritten zurück. Anschließend erwarb der Beklagte die unerkannt schwangere Stute, die kurz darauf ein Fohlen warf.
Das noch nicht eingesetzte Fohlenembryo sei gem. § 17 III TierZG sonderrechtsfähig. Durch die Einnistung werde der Dritte Eigentümer des Fohlenembryos mitsamt der Stute. Denn durch die Einnistung werde es wesentlicher Bestandteile iSd §§ 93, 947 BGB iVm § 90a S. 3 BGB voneinander, wobei die Stute die Hauptsache iSd § 947 II BGB darstelle. Denn ohne die Versorgung durch die Mutterstute ist der Embryo nicht mehr alleine lebensfähig und wird bei Trennung von der Mutter zerstört, während die Stute hierbei nicht zwangsläufig Schaden nimmt und folglich die Hauptsache sei. Insbesondere sei die Regelung zu Scheinbestandteilen, § 95 BGB, nicht übertragbar: denn nach dem Wortlaut sei diese Ausnahme auf Grundstücke beschränkt; daher sei der Fohlenembryo nicht deshalb sonderrechtsfähig, weil er nur zu einem vorübergehenden Zweck in die Stute eingesetzt werde.
Durch die Veräußerung der Stute durch den Dritten an die Beklagte werde diese Eigentümerin der Stute samt Embryo, vgl. § 929 S. 1 BGB.
Mit dessen Geburt werde die Beklagte Eigentümerin des Fohlens nach § 953 BGB. Denn das Fohlen sei auch dann das Erzeugnis der Stute, wenn es nicht genetisch von dieser abstamme und künstlich eingepflanzt sei.